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Das Alte Rathaus ist marode

"Schon lange weiß man: Das alte Berger Rathaus muss saniert werden. Noch sind die Untersuchungen nicht abgeschlossen, aber schon jetzt ist klar: Die Schäden sind erheblich. So schlimm, dass der historische Dachstuhl nun für 320 000 Euro abgesichert werden muss.

Vorsicht ist geboten oben im Dachgeschoss des Alten Berger Rathauses, das mitten im alten Ortskern an der Markstraße steht. „Der komplette Boden ist entfernt worden, um zu schauen, wie es darunter aussieht“, erklärt Ulli Nowak von der Arbeitsgemeinschaft Heimatmuseum. Nur lose Bretter liegen über den alten Balken – als provisorischer Weg. Daneben zu treten, wäre gefährlich: Nur mit loser Asche, Lehm und Sand ist der Hohlraum zwischen den Balken gefüllt. Wer hier hintritt, könnte durch die Decke durchbrechen. Alle Zwischenwände sind auch verschwunden. Ging es doch darum, herauszufinden, wie schwer der sanierungsbedürftige Dachstuhl – der wohl älteste in ganz Hessen – geschädigt ist.

Im Dachstuhl gibt es insgesamt drei Ebenen.

Und es ist ziemlich schlimm, erklärt Nowak, der sich viel mit den Experten unterhalten hat. Ist das Alte Rathaus doch das eigentliche Zuhause des Heimatmuseums, dessen Exponate zum größten Teil seit zwei Jahren in Kisten verpackt und ausgelagert sind. Nur im Erdgeschoss ist noch ein Teil der früheren Ausstellung zu sehen.

 

Starke Beschädigungen

 

An der Skizze eines Fachwerkhauses erklärt Nowak dort einige der besonders schlimmen Schäden. Der oberste Balken einer Fachwerkwand, erklärt er, heißt „Rähm“. „Auf ihm lagern die Enden der 26 Dachbalken. Doch genau an dieser Lagern sind die Deckenbalken kaputt.“ Die Experten fanden heraus: Rund 80 Prozent der Auflagepunkte sind bereits vom Zahn der Zeit zerstört.

 

Doch zunächst mussten der Statiker und der Architekt, die den Zustand des Gebälks prüften, ein ganz anderes Problem lösen, erinnert sich Nowak. Denn eines Abends stellten sie fest: Der nachträglich schräg unter dem Dach eingebaute Schornstein drohte einzustürzen und auf die Straße zu fallen. „Sofort wurde die Marktstraße gesperrt und Polizei und Feuerwehr alarmiert.“ Die ganze Nacht wurde gearbeitet, um den Schornstein abzutragen.

 

Nun steht zunächst nicht die Sanierung des denkmalgeschützten Dachgebälks im Fokus, sondern seine Absicherung, wie Antje Runge vom Kulturdezernat der Stadt bestätigt. „In den Haushalt 2015 sind 320 000 Euro eingestellt, um den Dachstuhl technisch zu sichern. Eine Stützkonstruktion wird eingebaut, damit nichts passiert.“ Statiker und Architekt planten zurzeit, wie das gemacht werden soll. Im Februar wollen sie die Planung den Beteiligten präsentieren.

 

Für die nächsten zehn Jahre sei der Dachstuhl damit sicher, sagt Runge. Zeit genug also, um ihn in Ruhe zu sanieren. Frühestens für den Haushalt 2017 könne das Dezernat weiteres Geld für die Planung der Sanierung beantragen. „Noch liegt auch noch nicht das komplette Gutachten über den Zustand des Dachstuhls vor. Die Sanierung plant dann das Hochbauamt.“ Was die Sanierung kosten wird, könne man wohl erst in einem Jahr beziffern. Eines scheint schon jetzt sicher: Die Sanierung wird teuer.

 

Mit großem Aufwand hätten die Sachverständigen den Dachstuhl untersucht, erklärt Winfried Röhling vom Heimatmuseum. „Sie sind mit einer 3-D-Scannerkamera alle drei Stockwerke des Dachstuhls abgelaufen.“ Daraus sei am Computer ein dreidimensionales Bild des gesamten Rathauses einschließlich Dachstuhl entstanden. Dies ist nun als kleiner Film während der Öffnungszeiten des Heimatmuseums sonntags von 15 bis 18 Uhr zu sehen.

Ulli Nowak vom Berger Heimatmuseum blickt in den maroden Dachstuhl des alten Berger Rathauses. Fotos: Roessler (2), Nowak
Die Verbindungen zu den Querbalken sind weggefault.

Dachstuhl von 1507

 

Auch das Alter des Holzes haben die Experten mittlerweile bestimmt, erklärt Nowak: Gefällt wurden die verwendet Bäume – alles Eichen – im Winter der Jahre 1506/1507. Entstanden sei der Dachstuhl daher wohl 1507. „Der kleine Dachreiter hingegen ist jünger. Er wurde wohl um 1740 erreichtet“, sagt Nowak. Auch das habe die sogenannte dendrochronologische Untersuchung ergeben.

 

Nowak zeigt auf ein Modell des Vorgängerbaus des Rathauses: Das im Jahr 1350 erwähnte „Spillhus“. „Es war ein Gemeinschaftshaus. Hier wurde im Trockenen der Markt abgehalten und Wegezoll kassiert.“ Auch gefeiert und Gericht gehalten wurde hier. „Aus dem steinernen Unterbau entstand 1507 das heutige Rathaus.“ Ein Fachwerkgeschoss und der Dachstuhl wurden einfach aufgesetzt. Nur das kleine Treppenhaus auf der Westseite und der Dachreiter wurden später hinzugefügt".
 

Frankfurter Neue Presse vom 02.02.2015